Hilfe aus der Türkei für das UKGM
Datum: 13.05.2024, 06:30 Uhr
Der Fachkräftemangel ist eines der größten branchenübergreifenden Probleme unserer Zeit – besonders betroffen ist das Gesundheitswesen. „Die Frage der Rekrutierung von Pflegekräften treibt uns sehr um“, erklärt Frank Steibli, Pressesprecher des Universitätsklinikums Gießen und Marburg (UKGM). Der deutsche Arbeitsmarkt sei in diesem Bereich „regelrecht leergefegt“. Daher wirbt das Klinikum seit einigen Jahren gezielt Personal aus Ländern an, in denen es keinen akuten Fachkräftemangel gibt – so wie in der Türkei.
Bisher galt dieses Angebot nur für examinierte Pflegekräfte, die bereits eine abgeschlossene Ausbildung haben und in deutschen Kliniken lediglich ein Anerkennungsverfahren durchlaufen müssen. Nun geht das UKGM jedoch einen neuen Weg: Zum ersten Mal werden auch Menschen ohne Ausbildung eingeladen, um in Deutschland ihre Qualifikation zu erwerben.
Gezielte Anwerbung in Istanbul
Im April reisten Pflegedirektorin Judith Schäfer sowie die Schulleiterinnen der Krankenpflege- und Krankenpflegehilfeschule, Sabine Graf-Schäfer und Anette Heider, in Zusammenarbeit mit dem Personalvermittler „Sprachportal“ nach Istanbul. Ziel der Reise war es, junge Menschen ohne Berufserfahrung für eine Ausbildung am UKGM zu gewinnen.
Insgesamt führten die drei Vertreterinnen knapp 50 Bewerbungsgespräche mit Interessierten, die aus der ganzen Türkei angereist waren. „Wir wollen nicht nur Helfer ausbilden, sondern über diesen Einstieg auch die Pflegefachausbildung ermöglichen“, betont Anette Heider. Die Bewerberinnen und Bewerber haben die Möglichkeit, eine einjährige Pflegehilfeausbildung am UKGM zu absolvieren. Perspektivisch ist im Anschluss daran die dreijährige Weiterbildung zur Pflegefachkraft möglich.
Bereits jetzt haben die Ausbilderinnen 27 Zusagen erhalten und neue Gespräche für April 2025 geplant. Die Reise war somit ein voller Erfolg.
UKGM als attraktiver Arbeitgeber
Neben den Ausbildungsmöglichkeiten präsentierten die UKGM-Vertreterinnen auch Gießen als eine lebenswerte Stadt mit vielfältigen Kultur- und Freizeitangeboten. „Ich war sehr beeindruckt, wie wichtig es vielen war, nach Deutschland zu kommen“, erinnert sich Judith Schäfer. „Die meisten waren absolut aufgeregt.“
Viele der Bewerberinnen und Bewerber haben bisher in Zwischen- oder Hilfsjobs gearbeitet und sehen aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage in der Türkei kaum Perspektiven. Besonders das vergleichsweise höhere Gehalt in Deutschland ist ein großer Anreiz: Eine Pflegefachkraft verdient in der Türkei nur etwa ein Drittel dessen, was in Deutschland gezahlt wird.
„Diesen Schritt zu wagen und eine neue Sprache zu lernen, die nicht einfach ist – das finde ich bemerkenswert“, hebt Anette Heider hervor. Viele der Interessierten müssen sich völlig neuen Herausforderungen stellen, insbesondere Frauen, die je nach Herkunftsregion bislang wenig Zugang zu Bildung hatten und nun erstmals berufstätig werden möchten. Ihre Motivation sei jedoch enorm: „Sie wollen unbedingt arbeiten, eigenständig sein und etwas zurückgeben.“
Interkulturelle Herausforderungen und Chancen
Bereits jetzt sind die Ausbildungskurse am UKGM international geprägt. Die aktuelle Klasse setzt sich aus Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus zwölf verschiedenen Nationen zusammen. Natürlich bringt diese Vielfalt auch sprachliche und kulturelle Herausforderungen mit sich. „Bei den ersten Durchläufen merken wir, dass es hier und da noch kleine Schwierigkeiten gibt“, resümiert Sabine Graf-Schäfer. „Aber es verbessert sich von Mal zu Mal.“
Nachhaltige Lösungen für den Fachkräftemangel
Aus Sicht des UKGM ist die Anwerbung von Fachkräften und Ungelernten aus dem Ausland ein notwendiger Schritt zur Sicherung der Pflegeversorgung. „Wir werden es ohne die jungen Menschen aus dem Ausland nicht schaffen, den Bedarf an Pflegekräften zu decken“, betont Frank Steibli. Gleichzeitig müsse Deutschland weiterhin ein attraktives Ziel für Arbeitsmigration bleiben.
Dazu gehöre auch eine positive Willkommenskultur, eine erleichterte Integration und der Abbau von Vorurteilen. „Es ist wichtig, den neuen Auszubildenden das Gefühl zu geben, dass sie hier willkommen sind“, so Steibli abschließend.






